Sister ("Deutsche Guitarre")
Andreas Michel
Die Sister oder die teutsche Guitare. In: Journal des Luxus und der Moden; 14. Band, Weimar 1799, S. 148-150 Der in Gotha wirkende "Herzogliche Kammermusikus" und Komponist Johann David Scheidler (1748-1802) beschrieb 1801 in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung eine einchörige Gitarre-Zister-Mischform unter dem Namen "Sister" oder "Deutsche Guitarre", die mit sieben Darmsaiten ausgestattet war. Sein Bericht folgt weitgehend und fast wörtlich einem Artikel aus dem "Journal des Luxus und der Moden" (14. Band, Weimar 1799, S. 148-150: Die Sister oder die teutsche Guitare), ergänzt um einige Bemerkungen zur Haltung und Spielweise des Instruments, jedoch unter Verzicht auf die 1799 publizierte Abbildung. Ein weiterer Unterschied betrifft die Äußerungen zum Saitenmaterial. Im "Journal des Luxus und der Moden" heißt es 1799: "vier unübersponnene Metall- und drey übersponnene Darmsaiten", zwei Jahre später in der AMZ "nunmehr vier unübersponnene und drey übersponnene Darmsaiten".
Als Hersteller solcher Instrumente nennen beide Quellen den Gothaer Instrumentenbauer Johann Wilhelm Bindernagel (um 1770-1845).
Die Sister oder die teutsche Guitare. In: Journal des Luxus und der Moden; 14. Band, Weimar 1799, Taf. 9 (zu Artikel S. 148-150)
Im "Journal des Luxus und der der Moden" vom 15. Juli 1799 veröffentlichte Wilhelm Bindernagel eine Anzeige, in der es heißt: "Diejenigen Freunde der Musik, welche bisher den Wunsch geäußert haben, daß sie von mir bey Ablieferung der bestellten Sistern zugleich mit neuen Compositionen auf dieses Instrument versehen werden möchten, ersuche ich hierdurch ergebenst, sich dieserhalb unmittelbar an den Herrn Kammermusikus Scheidler in Gotha zu wenden, welcher eine ansehnliche Sammlung solcher für die Sister gesetzten Stücke besitzt und auf Verlangen an die Liebhaber überlassen wird."
Christian Gottlieb Scheidler: Etwas über die Sister. In: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. IV, 21.10.1801, Sp. 60 Johann David Scheidler: Etwas über die Sister. In: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. IV, 21.10.1801, Sp. 60
In seiner Anlage folgt das Modell der deutschen Sister dem Vorbild englischer und französischer Instrumente aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, zum Beispiel der Zister von G. Le Blond, Dünkirchen 1773 (Leipzig Inv.-Nr. 618). Die französischen Zistern waren in der Regel siebenchörig mit einer Saitenverteilung 3 x 1 + 4 x 2 und besaßen Wirbelkästen mit 11 Flankenwirbeln oder "Preston's machine". Scheidler betrachtete die Erweiterung der Choranzahl als französische Entwicklung.
Nach 1785 wurden diese Instrumente, die mit vollem, über die ganze Griffbrettbreite reichendem Hals ausgestattet waren, auch in Österreich und Deutschland gebaut. Bei der von Sachs (1922, Sp. 156) erwähnten "Sister mit vollem Hals" des Gothaer Instrumentenmachers Johann Georg Ochstermann handelte es sich zweifellos um ein solches, nach französischem Vorbild gefertigtes Instrument. Es besaß 11 Saiten, die auf sieben Chöre verteilt waren.
  Christian Gottlieb Scheidler: Etwas über die Sister. In: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. IV, 21.10.1801, Sp. 61-62
Johann David Scheidler: Etwas über die Sister. In: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. IV, 21.10.1801, Sp. 61 und 62
Christian Gottlieb Scheidler: Etwas über die Sister. In: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. IV, 21.10.1801, Sp. 63 Die Instrumente von Bindernagel hingegen waren nach Scheidler einchörig. Zwar besitzt die unsignierte Zister Leipzig Inv.-Nr. 621 acht Wirbel, die sieben Knöpfe in der Unterzarge sowie die Einschnitte in Obersattel und Steg belegen jedoch die siebenchörige Besaitung. Der achte Wirbel wurde nur aus optischen Gründen angebracht. Gestimmt wurde die siebenchörige Sister in einer gemischten Terz-Quart-Stimmung: G c f g c' e' g'.
Johann David Scheidler: Etwas über die Sister. In: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. IV, 21.10.1801, Sp. 63
In der ehemaligen Sammlung alter Musikinstrumente an der Staatlichen Hochschule für Musik in Berlin befand sich eine fünfchörige (5x2) Zister (Inv.-Nr. 388) mit dem Zettel: "Verfertigt von Joh: Wilhelm Bindernagel / Instrumentenmacher in Gotha 1798 / No. 29". Nach der knappen Beschreibung dieses Instruments im Katalog von Sachs (1922, Sp. 159) zu urteilen, handelte es sich dabei um eine gediegene handwerkliche Arbeit mit einem Griffbrett aus Nußbaumholz und einer Kopfplatte, in die ein Blumenornament aus Alabaster eingelegt war. Über die Umrißform des Korpus gibt der Katalog keine Auskunft. Die angegebenen Maße, die als Näherungswerte anzusehen sind, decken sich mit den Maßen der unsignierten "Sister" des Leipziger Musikinstrumenten-Museums Inv.-Nr. 621
  Sister, unsigniert
Leipzig, Inv.-Nr. 621
Sister, J. W. Bindernagel
Berlin, Inv.-Nr. 388
Sister, J. W. Bindernagel
Privatbesitz
Gesamtlänge 812 805 805
Korpuslänge 376 380 373
Korpusbreite 322 320 320
Ein signiertes Instrument "Iohann Wilhelm Bindernagel. / Instrumentenmacher zu Gotha in Sachsen / 1804"  stellt bereits einen Übergang zu Gitarre dar. Es verfügt zwar noch über das charakteristische birnenförmige Korpus, weist jedoch Querriegel und in die Decke eingelassene Bünde, wie auf der ein Jahr später von Bindernagel gebauten Gitarre, auf.
Sister, unsigniert, Leipzig, Inv.-Nr. 621 Sister, Johann Wilhelm Bindernagel, Gotha 1804 Gitarre, Johann Wilhelm Bindernagel, Gotha 1805
Sister ("Deutsche Guitarre")
unsigniert
Johann Wilhelm Bindernagel,
Gotha, um 1800
Leipzig, Inv.-Nr. 621
Sister ("Deutsche Guitarre")
Übergangsform zur Gitarre
Johann Wilhelm Bindernagel
Gotha 1804
Privatbesitz
Gitarre
Johann Wilhelm Bindernagel
Gotha 1805
Eisenach, Bachhaus. Inv.-Nr. I 23
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